Europa am Scheideweg? Plädoyer für ein integrales Europa

Flüchtlingskrise, Brexit, Wirtschaftskrise – Europa befindet sich zweifellos in einer der härtesten Prüfungen seiner Geschichte. Welche integralen Sichtweisen eröffnen sich anhand dieser Kulisse? Wie geht man mit dem Zuwanderungsstrom um? Welche Lehren hat der Brexit? Wo liegt die Seele Europas?

Flüchtlingskrise – welche Reaktion ist aus integraler Sicht angemessen?

In einem Interview mit der Weltwoche behauptet der deutsche Philosoph Rüdiger Safranski „Es herrscht in der Politik eine moralistische Infanti­lisierung. (…) Wir schwanken zwischen ökonomischem Selbstbewusstsein und einem weltfremden Humanitarismus. Unsere Aussenpolitik wird zu einer moralischen Mission.“ Das Interview ist ein toller Leitfaden zur europäischen Situation anhand integraler Denkweisen. So kann man Safranski so deuten, dass Deutschland in seiner politischen Ausrichtung vor allem noch vom wirtschaftsdiktierenden Orange und vom humanitär-utopischen Grün geleitet wird.

Letztere Fraktion behauptet wie unter Beschwörung eines Mantras, dass man den Flüchtlingen keine Grenzen setzen darf. Safranski sagt dazu:

Da wird etwas nicht zu Ende gedacht. Denn gemäss ­heutiger Praxis wären, gemessen an den hiesigen demokratischen und ökono­mischen Standards, zwei Drittel der Welt­bevölkerung in Deutschland asylberechtigt. Dass unsere Flüchtlingspolitik einem Denkfehler unterliegt, müsste einem spätestens da auffallen.

Weiter spricht sich Safranski für blaue Strukturen aus, welche wir vor allem jetzt aktivieren müssen:

(…) zur Reife gehört aber, dass man um das Böse weiss, das in uns liegt. ­Deutsche Politiker sprechen dauernd von der Menschenwürde, die unantastbar sei. Man tut so, als sei die Menschenwürde ein allen ­angeborenes Organ wie Arme oder Beine. Das ist ein naives Menschenbild. Menschenwürde fällt nicht vom Himmel, sondern setzt ­einen funktionierenden Staat voraus, der sie in seinen Grenzen garan­tieren kann. Und dann muss man sich die Frage stellen: Wie kann man dieses Staats­gebilde erhalten? Das gelingt nur mit sehr strikten Regeln, sonst verliert der Staat seine integrierende, die Menschenrechte garantierende Kraft. Ich ­habe grosse Befürchtungen, dass unser Staat diese Kraft verliert, wenn wir in bestimmten Teilen der Gesellschaft eine islamische Mehrheit mit einer völlig anderen Wertvorstellung haben. Kurz: Man muss die gesellschaftliche Kohärenz stabil halten, damit der Staat die Menschenrechte garantieren kann. Wenn man sich das nicht klarmacht, so ist das ­verantwortungslos: Man will helfen und schwächt dabei die Institutionen, die überhaupt helfen können.

Utopie Europa?

Immanuel Kant, ein Grundpfahl deutscher Geistesgeschichte formulierte mit seinem kategorischen Imperativ ein moralisches Gebot für jeden Einzelnen – „Behandle andere stets so, wie du auch selbst behandelt werden willst“ (stark vereinfacht). Dies richtete sich jedoch in erster Linie an das Individuum, nicht an den Staat. Letzterer muss seine Grenzen wenn nötig wahren, das war auch Kant klar. Über die staatliche Ebene äußerte sich Immanuel Kant in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“, dass ein Weltstaat wohl eine Utopie bleibt, da es immer verschiedene Staaten gibt und geben muss. Schon aus kultureller und sprachlicher Sicht, doch auch aus machtpolitischen Gründen – so wäre eine zu monolithische Verteilung der Macht auf einen Superstaat höchstwahrscheinlich nicht im Sinne der Bürger, wie auch die Philosophie der „Balance of Power“ glaubhaft macht. Angesprochen auf die Frage, ob es Parallelen zu diesem utopischen „Weltstaat“ und der Utopie „Europa“ gibt antwortet Safranski:

Deutschland hat nach 1945 eine Flucht in die Europa-Ideologie angetreten. Ich sage bewusst Ideologie, denn da war die übertriebene Erwartung, man könne das alte Europa der verschiedenen Nationen auflösen und daraus nach dem Vorbild der USA eine Art Vereinigte Staaten von Europa kreieren. Ein Grossteil der politischen Elite und der reflektierenden Öffentlichkeit in Deutschland sah darin ein Mittel, um den anrüchigen Nationalismus loszuwerden. Beim Volk ist diese Idee nie wirklich angekommen. Dort fand man es einfach nur gut, dass es keine Grenzkontrollen mehr gab und im west­lichen Europa Friede herrschte – und das ist ja nun wirklich die Hauptsache. Auf den sonstigen EU-Regulierungsfuror kann man ja gut verzichten. Er schadet nur.

Rico Bandle: Die Meinung war: Wenn man den Natio­nalismus überwindet, überwindet man den Krieg.

Safranski: Das war ehrlich gemeint. Deshalb war die deutsche Politik mehr und mehr bereit, Souveränitätsrechte nach Brüssel zu transferieren. Spätestens in der Griechenland-Krise aber zeigte sich, dass in Europa – wie soll es auch anders sein – die Nationalstaaten ihr Gewicht behalten haben. Nur Deutschland hat das immer so gesehen, als ob die anderen dem Wunsch-Europa «untreu» würden.

Lehren nach dem Brexit

brexit-1481021_640Diese deutsche Europa Ideologie bröckelt dieser Tage gewaltig, spätestens nach dem Brexit. Doch welche Lehren zieht man aus diesen Auflösungserscheinungen? Zunächst einmal ist es besonders aus integraler Sicht sehr wichtig hinzuschauen: weite Teile der Bevölkerung haben diesen europäischen Traum eigentlich nie wirklich getragen. Nach Sichtweise der Spiral Dynamics sind ca. 70 % der Weltbevölkerung auf einer vorgrünen Bewusstseinswelle verankert, d.h. sie denken bestenfalls ethnozentrisch bis egozentrisch. Bisher waren viele der Meinung, dass dies auf das aufgeklärte Europa nicht zutreffe, doch spätestens seit Pegida wissen wir, dass auch Europa von diesen Bewusstseinswellen maßgeblich bevölkert ist.  Ken Wilber äußert sich in Integrale Spiritualität zu diesen Anteilen der Bevölkerung überspitzt und provokativ, dass diese im Grunde „Nazi’s“ sind. Das ethnozentrische Bewusstsein (blau) basiert auf einem Wir-Modell, welches zwar ein Wertemodell sucht und findet, aber immer den Gegenpol, den Antagonisten eben jenes Weltmodells mitdenkt. Menschen auf diesen Bewusstseinswellen sind zwar keine proaktiven „Nazi’s“ mehr, wie auf der roten Welle, doch sie suchen Regeln, Strukturen und vor allem Werte. Werte die wie ein Anwalt für ihre Vorteile gegenüber anderen eintreten. Dieses Bewusstsein benötigt und pflegt den direkten Kontakt zur Peer-Gruppe. Der Austausch findet vorrangig in der direkten Kommunikation statt, plakativ gesagt: Im Stammtischgespräch oder bei der Gartenarbeit kommt es zum Austausch dieser Werte als Bestärkung der eigenen Sichtweise, bei der das Grundübel des Weltgeschehens jemand Fremden zugeschoben wird, vor dem gleichzeitig Angst besteht (und aufgebaut wird). Die eigene Gruppe wird bestärkt, teilweise auch irrational in die Höhe gehieft, während das Fremde jeglichen Schatten tragen muss, auch den Eigenen. Die Art und Weise dieser Gewalt ist subtil, d.h. sie gibt sich anständig und angepasst, autoritätshörig und sozial, hat aber stets eine Grenze, an der das Mitgefühl endet. Auch in Europa ist diese Art von Bewusstsein überraschend fest verankert, auch wenn die Medien und Politiker immer wieder grünes Denken propagieren. Letztlich muss man sogar sagen, dass die politische und mediale Landschaft über die Basis der Bevölkerung einen Schneemantel gelegt hat. Man war der Meinung, dass man anhand erzieherischer Botschaften an das Über-Ich Europa zum postmateriellen Wende verhelfen könne. Doch die Ängste und der zeitliche Aspekt dieser Reifung wurden nicht ausreichend mitgedacht. Nun erwacht Europa aus seinem Winterschlaf und stellt fest, dass sich sich diese Basis durch das grüne Denken mit seiner „political correctness“ hintergangen fühlt, weil sie die Sensiblität von Worten noch nicht anerkennen kann. So entsteht eine gefährliche Eigendynamik: Weil das herrschende politische grüne Mem diese Ängste und Bedürfnisse nicht auffängt, sondern eher noch weiter entfacht, spalten sich vorgrüne Gruppierungen von der Politik ab und gehen zu Protestwahlen über- zu sehen im aufkeimenden rechten Flügel in Europa und allen voran im Brexit-Vote. Zu sehen ist auch, dass vorwiegend ältere Menschen in diesen ethnozentrischen Bewusstsein verankert ist, was natürlich auch verständlich ist, da diese oftmals noch mit Ängsten und Trauma der Kriege belastet sind (siehe transgenerationale Schuldvererbung). Denn offenbar haben vor allem ältere Briten für den Ausstieg gestimmt. Demnach waren 58 Prozent der über 65-Jährigen für einen Ausstieg. In allen anderen Altersgruppen sind die Brexit-Befürworter hingegen in der Minderheit. In Großbritannien sind laut Daten aus dem Jahr 2015 etwas mehr als 17 Prozent älter als 65 Jahre. Das Brexit-Votum war aber auch ein Augenöffner – zum einen, dass direkte Demokratie nicht das Mittel der Wahl sein kann. Zum anderen, dass das integrale Denken bitter nötig ist um Europa zu verstehen und zu einen, denn erst dieses schafft es auf die Herausforderungen adäquat zu reagieren. So sagt auch Safranski weiter:

Die deutsche Politik will nicht begreifen, was mit den osteuropäischen Ländern los ist: Die sind eben der Knute der Sowjet­union entkommen und wollen nun erst einmal die neugewonnene Souveränität geniessen. Sie möchten ihr Selbstbestimmungsrecht nicht gleich wieder nach Brüssel abgeben, bloss weil Deutschland mit seinem Europa-Traum das forciert. Die Deutschen blenden auch den histo­rischen Hintergrund der Abwehrhaltung in Osteuropa aus: Bulgarien war bis 1908 unter osmanischer Herrschaft. Die Türken standen Ende des 17. Jahrhunderts vor ­Wien. Das islamische Osmanische Reich war weit in den Balkan vorgedrungen. Das ist im kollektiven Gedächtnis dieser Länder präsent. Und es ist nun mal so, dass die grossen Flüchtlingsströme vor allem aus der islamischen Welt kommen.

RC: Ist es nicht normal, dass starke Staaten den weniger starken ihre Wertvorstellungen aufdrücken wollen?

RS: Die infantile Weltfremdheit, die sich dann im Moralismus ausdrückt, ist schon ein sehr spezifisch deutsches Phänomen. Grossbritannien und auch Frankreich sind diesbezüglich viel reifer. Die wissen zum Beispiel, dass es zu einem souveränen Staat gehört, dass er seine Grenzen kontrolliert. Wenn eine Staatschefin wie Angela Merkel sagt: «Wir können die Grenzen gar nicht mehr kontrollieren», reiht man sich ein unter die zerfallenden Staaten, wie jene in Afrika. Ein Brite oder Franzose würde das nie sagen, ein Schweizer auch nicht.

Dass diese „Reife“ Grossbritanniens nicht wirklich auf Rationalität, sondern leider auf prärationalem Denken beruht hat der Brexit gezeigt (das Interview fand im Dez 2015 statt). Aber man muss sich trotz aller Regression den Fakten stellen, dass der deutsche Traum von Europa nicht nur unangemessen für viele Länder ist, sondern auch viel mit der eigenen Vergangenheitsbewältigung zu tun hat. Das aufgeblähte orange-grüne Mem verkehrt sich ins Gegenteil. Weil Deutschland das „Gutbürgertum“ wie kein zweites forciert zwingt es den Rest von Europa seinen Shui-Ta-haften Schatten zu tragen. Positiv feststellen muss man, dass sich in der landesinternen Debatte viel getan hat. So ist es möglich reale Probleme anzusprechen ohne als Nazi diffamiert zu werden. Ebenso steht zur Debatte zwischen „Flüchtlingen“ als Menschen und Geisteshaltungen zu differenzieren. Diese Differenzierung, die übrigens auch von Islamexperten gefordert wird (siehe zum Beispiel dieses Interview mit Bassam Tibi) dürfte eine der Hauptaufgaben im künftigen Integrationsprozess sein.

Safranski: Um in einer freiheitlichen Gesellschaft zu ­leben, bedarf es einer dazu passenden ­Mischung aus Gewohnheit und Erziehung. Viele muslimische Zuwanderer bringen das nicht mit. Und unser Land ist viel zu wenig mit sich selbst in Übereinstimmung, um einen glaubhaften Integra­tions­druck erzeugen zu können. Ein Grossteil der Flüchtlinge sind junge Männer im besten Alter, bei denen man sich wundert, weshalb die ihre virile Energie nicht gebrauchen, um ihr Land wieder in Ordnung zu bringen. Manche von ihnen ­haben dort gegeneinander gekämpft, und sie werden ihre Verfeindung hierhertragen und hier unter komfortableren Bedingungen ihre Kämpfe fortsetzen. Ich höre schon den Vorwurf der Islamophobie. Aber den politischen Islam haben wir tatsächlich zu fürchten, wenn wir ihn nicht dort, wo er uns feindlich gesinnt ist, entschieden bekämpfen. Wenn wir nicht aufpassen – und die gegenwärtige politische Führung passt nicht auf –, werden wir französische Verhältnisse bekommen mitsamt Terrorismus und islamischem Antisemitismus. Eine ­Bedrohung auch für ­unsere jüdischen Mit­bürger.

RC: Es gibt doch durchaus Beispiele, wo die ­Integration gelingt.

RS: Gewiss, und das ist dann auch wirklich ­eine Bereicherung. Aber nötig ist eine realis­tische Haltung: Es dürfen ganz einfach nicht zu viele sein, sonst wird aus dem Gut­gemeinten eine böse Überraschung. Ein ­gesundes Misstrauen ist also bei solchen ­Völkerwanderungen angebracht, das zeigt die Geschichte.

RC: Was ist eine «realistische Haltung»?

RS: Im Gefühl der Hilflosigkeit hat sich der ­kitschige Spruch eingenistet, man müsse das Problem «an der Ursache» bekämpfen. Das ist kitschig, weil verlogen, denn welche Selbst­über­schät­zung liegt in einer solchen Aussage! Die Ursachen dieses gigantischen Zerfalls im Nahen Osten sind dermassen komplex, dass es völlig unmöglich ist, sie von aussen beseitigen zu können. Eine ­reife, ­realistische Urteilskraft würde zum Schluss kommen: Das sind Zerfalls­prozesse, bei ­denen die meisten Eingriffe, siehe die beiden Irakkriege, Afghanistan und ­Libyen, die ­Sache nur noch schlimmer ­machen. Den Brand wird man nicht löschen können, es ist viel erreicht, wenn man das eigene Haus ­wenigstens notdürftig ­bewahrt.

RC: Die Flüchtlinge sind jetzt nun mal unterwegs, was kann man denn machen, um ­diese gewaltigen Ströme aufzuhalten? Kann man sie überhaupt aufhalten?

RS: Man muss in der Nähe der Bürgerkriegs­gebiete Zonen schaffen, wo die Flüchtlinge in Sicherheit sind, bis der Krieg beendet ist. ­Etwas anderes kann es nicht geben. Es ist schlicht undenkbar, dass alle acht Millionen, die in dieser Region auf der Flucht sind, nach Deutschland kommen. Das Asylrecht war nicht für solche Völkerwanderungen gedacht, man kann es deshalb auf Dauer so nicht aufrechterhalten. Es reicht nicht, von Begrenzung zu reden, man muss notfalls auch Grenzen schliessen. Dann wird der Druck auch grösser, sichere Zonen für die Flüchtlinge in der Nähe ihrer angestammten Gebiete zu schaffen, die von europäischer ­Seite allerdings mit grossen Finanzmitteln unterstützt werden müssten.

Ausblick Europa – zwischen Regression und Fortschritt

Wie auch immer man zu den Denkansätzen von Safranski steht, Europa benötigt eine von Ideologien befreite Antwort auf die Situation, schon allein um in sich selbst zu bestehen und nicht zu zerfallen in Einzelstaaten. Nie war das integrale Denken so gefordert wie jetzt. Schaffen wir es nicht die integralen Denkansätze zu praktizieren wird es wohl zu einer Regression kommen, da die breite Masse sich bisher nicht gesehen fühlt. Eine ähnliche Tendenz ist auch im US-Wahlkampf zu beobachten, in dem eine große US-Wählerschaft Trump als Protestwahl gegenüber Hillary Clinton vorzieht, um ein Zeichen gegen das Establishment zu setzen (siehe dieser Artikel vom Washington Post und der Artikel über den US Wahlkampf aus integraler Sicht).

Die Seele Europas – eine integrale Herausforderung

Leviathan by Thomas Hobbes, {{PD-US}} – published in the US before 1923 and public domain in the US.
Europa als Superstaat? Leviathan by Thomas Hobbes, {{PD-US}} – published in the US before 1923 and public domain in the US.

Europa ist für viele Menschen eine große Inspiration – wie kein zweiter Kontinent steht es für Menschenrechte und aufgeklärtes Denken.

Es war oftmals Anlass für Sorge, aber auch stets für große Hoffnung. Nachdem der eiserne Vorhang fiel schienen sich unerhörte Sehnsüchte Bahn zu brechen. Für den Soziologen James Rifkin war Europa sogar eine Gelegenheit, um den Nationalstaat zu überwinden. Eine grüne Utopie, wie sich heute herausstellt. Vielmehr ist dieses Zukunftsversprechen für weite Teile der Bevölkerung fragwürdig, zuletzt auch nachdem NSA-Spionage Affären die Glaubwürdigkeit in die politische Spitze diskreditierten . Vor allem in streng gläubigen Bewusstseinsstufen wird die westliche Konsumkultur verachtet. Doch auch innerhalb der EU ist Europa auf der Suche nach sich selbst. Das Bewusstseinsmagazin „Evolve“ schreibt dazu in Ausgabe 10 auf Seite 31.

Das Brüsseler Modell der Europäischen Union wird mehr und mehr als eine postdemokratische Entwicklung empfunden. Die Brüsseler Institutionen scheinen die nationalen demokratischen Prozesse auszuhebeln, ohne sie durch vollwertige demokratische Prozesse auf europäischer Ebene zu ersetzen

Bestes Beispiel ist das jüngste Vorstoßen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, welcher CETA und TTIP ohne Zustimmung des Bundestags und Bundesrates verabschieden will. Weiter schreibt Evolve:

Der europäische Gedanke selbst, die Vision von gemeinsamen übernationalen, demokratischen Institutionen wird von starken rechtspopulistischen Bewegungen in Frage gestellt. Und die dauerhafte Wirtschaftskrise wirft viele Fragen nachder Form unseres Wirtschaftens auf. (…) Aber unsere Krise hat auch noch eine andere, vielleicht tiefere Dimension. Und die hat mit Seele zu tun. Für viele traditionelle Kulturen steht die westliche Kultur für einen Verlust an Seele. Antidemokratische und antiliberale politische Projekte, von Putins Russland, Viktor Orbáns Ungarn bis zu Erdogans Türkei, sehen sich als Verteidiger der Menschen gegen eine seelenlose, materialistische Kultur.

Was wir derzeit beobachten können bei Traditionalisten (auch innerhalb des christlichen Abendlandes) ist, dass die Aufklärung in Frage gestellt wird, weil durch sie die Verbindung zu etwas „Heiligem“ verloren gegangen zu sein scheint. Die Frage die sich daher auch in der integralen Bewegung stellt ist: Gibt es eine aufgeklärte Spiritualität? Und die Antwort anhand von empirischen Untersuchungen ist erfreulicherweise Ja – das postmaterielle Denken findet zu einer neuen Ganzheit nach der rationalen Wende. Auch die Wissenschaft baut gerade rechtzeitig eine Brücke zu spirituellen Dimensionen (siehe One Mind Modell). Das erneute Zulassen der religiösen Einflüsse nach der Aufklärung nennt der Philosoph Habermaß „Postsäkulär“. Daher ist das Zusammenwirken von Wissenschaft und Tradition, Kunst und Spiritualität, Philosophie und Politik ein zentrales Geschehen zur Freilegung der Seele Europas. Thomas Steininger meint:

[quote]Wenn Europa Seele zeigt, dann wird es zum Ort eines neuen Dialogs zwischen Aufklärung und Seele. Unsere Zukunft muss kein Kampf der Kulturen werden. Sie kann auch zum Dialog der Kulturen werden.[/quote]

[hr]

Quellen:

Ken Wilber –  Integrale Spiritualität 

Interview Rüdiger Safranski – Weltwoche – http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-52/politischer-kitsch-die-weltwoche-ausgabe-522015.html

Europa sucht seine Seele – Evolve – Ausgabe 10 (April bis Juni 2016)

 

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