Hermanito – Mexiko im Bann der Geister

Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms „Hermanito“ steht der mexikanische Schamane Don Enrique, in den zweimal wöchentlich der Geist des letzten Aztekenkaisers Cuauhtemoc fährt. Im Gespräch mit ARTE berichtet Regisseurin Marie Arnaud über den Schamanen und die Dreharbeiten in Mexiko.

Hermanito Film

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Wie kam es dazu, dass sich Don Enrique dazu bereit erklärte, an den Dreharbeiten zu „Hermanito“ mitzuwirken?

Don Enrique hat sich im Januar 2003 zu dem Film bereit erklärt. Ich war „Hermanito“ und Don Enrique aber schon einmal im Mai 1997 begegnet. Das Drehbuch habe ich 2003 geschrieben, der Vertrag mit ARTE wurde im April 2004 unterzeichnet. In diesem Film stecken acht Jahre meines Lebens. Es waren viel Geduld und Beharrlichkeit nötig, um die Vorbehalte „des Menschen“ Don Enrique aus dem Weg zu räumen. Hermanito ist der Geist des letzten, von Cortes getöteten Aztekenkaisers Cuauhtemoc. Er war Kaiser und zugleich Medizinmann. Don Enrique behauptet, dass Hermanitos Mission auf Erden noch nicht beendet sei und er deshalb immer wiederkomme, um seinem Volk und der ganzen Menschheit beizustehen. Don Enrique ist nur die fleischliche Hülle, in die Hermanito schlüpft, um die Menschen zu heilen. Der „Geist Hermanito“ wollte den Film, doch Don Enrique, die „fleischliche Hülle des Geistes“, und sein Umfeld waren sehr skeptisch. Aber da das Wort des Himmels gilt, konnte der Film letztlich gedreht werden. In Mexiko und insbesondere in dieser Familie ist nichts wirklich rational. Ich musste mich an einen anderen Rhythmus und eine völlig andere Psychologie gewöhnen.

Wie haben sie die Dreharbeiten für „Hermanito“ vorbereitet?

Ich gehe bei der Konzeption meiner Filme gern von Musik, von einem Soundtrack aus, denn Musik hat immer schon eine wichtige Rolle für mich gespielt. Bei mehreren Filmen habe ich mit Denis Lefdup zusammengearbeitet, dessen seine musikalische Welt mit gefällt und dessen Talent ich schätze. Er hat auch die Filmmusik für „Hermanito“ komponiert und auf meine Bitte nur Perkussionisten eingesetzt. Die Aufzeichnung hat zwei Tage gedauert. Die Musiker hatten phantastische Instrumente mitgebracht, die einzigartige, geheimnisvolle Töne erzeugten.

Außerdem interpretiert der isländische Countertenor Sverrir Gudjonsson (eine der größten Stimmen der Welt) in einer Höhle in Island das „Epitaph“, einen von ihm entzifferten Text aus dem 11. Jahrhundert.

DEM ALLMÄCHTIGEN GOTT,
DEM GOTT ALLER VÖLKER,
DEM HERRN ÜBER ENGEL UND LÄNDER,
DU, DER DU JENSEITS VON ZEIT UND RAUM BIST,
DER DU ALLES NACH DEN GESETZEN DER LIEBE LENKST

DU BIST ZUGLEICH INNEN UND AUSSEN
OBEN UND UNTEN
JEDER RÜHME DIE HEILIGE DREIFALTIGKEIT
IN ALLE EWIGKEIT
AMEN
Ich mag solche Zufälle bei der Vorbereitung eines Films. Sie deuten auf ein hohes Energiepotenzial.

Wie liefen die achtwöchigen Dreharbeiten in Mexiko ab?

Der Drehplan sah vier Wochen im März 2005 und dann vier Wochen im Mai 2005 vor. Ich hatte in den vorangegangenen Jahren bereits allein gedreht und verfügte über erstaunliches Rohschnittmaterial.

War für diesen Dreh eine besondere Ausrüstung nötig?

Wir haben mehrere Kameras benutzt. Für die Beleuchtung haben wir Leuchtdioden (Niedrigspannungsleuchten in Sonderanfertigung von Soft-Light) um die Kamera positioniert und so genannte batteriebetriebene „Feenfinger“ verwendet, die je nachdem, ob man eine warme oder eine kühle Atmosphäre erreichen möchte, mit blauer oder goldener Gelatine überzogen werden.

Wie viele Stunden haben Sie insgesamt gedreht (Rohschnittmaterial), um auf 90 Minuten zu kommen?

Wir haben alles in allem 150 Stunden Rohschnittmaterial.

Wovon haben Sie sich beim Schnitt leiten lassen?

Beginnen sollte der Film mit einem Traum, den ich in der Nacht vor meiner ersten Begegnung mit Hermanito im Jahr 1997 hatte. Ich war in Mexiko und drehte einen Film über Schamanen (Les Conquérants des 4 Vents). In meinem Traum sah ich ein Gesicht, das die Wolken zerteilte und zu mir sagte: „Ich bin Hermanito, komm zu mir“. Ich wusste damals nichts von Hermanitos Existenz. Durch mehrere Zufälle bin ich am Tag darauf bei Domingo gelandet, bei dem Hermanito zweimal in der Woche behandelt. An diesem Abend hat mich Hermanito zur allgemeinen Überraschung rufen lassen, damit ich bei einer Operation ohne Narkose zusehe. Eine seltsame, verrückte Geschichte. So hat alles angefangen. Wenn ich im Bild erscheine, will ich Nähe zum Zuschauer schaffen, mich sichtbar machen, damit das Unsichtbare und Geheimnisvolle umso deutlicher wird.

Was wollen Sie den Zuschauern vermitteln?

Die Öffentlichkeit steht alternativen Heilmethoden noch immer mit Skepsis gegenüber. Ich hoffe, mit dem Film das Geheimnis wenigstens teilweise lüften zu können. Er soll auch Zeugnis ablegen, dokumentieren und mit falschen Vorstellungen aufräumen. Am meisten wünsche ich mir, dass mein Film in den Köpfen der Menschen ein Türchen für das Wunderbare, unsere „terre incognitae“, öffnet. Ich will nicht überzeugen, ich möchte intensives Erleben teilen und den Zuschauern Lust darauf machen, ihre vermeintlichen Gewissheiten hinter sich zu lassen.

Das Interview führte Noëlle Bosse.
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Der Geist, den Hermanito verkörpert ist Cuauhtémoc, der letzte atztekische Herrscher von Tenochtitlan.[/toggle]

 

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