Spiral Dynamics Blau Welle 4

autoritär, absolutistisch, gehorsam, mythisch, ordentlich, entschlossen


spiral dynamics zeitstrahl
Spiral Dynamics Zeitstrahl

Zeitgeschichtliche Einordnung:

seit ca. 3.000 v. Chr (Grafik rechts)

Individuelle Einordnung:

Ab ca. 36 Monaten (Ausbildung des Über-Ich, Rollenspiele, Erfahrung der Geschlechtsidentität und anderer Rollen, Abstimmung mit anderen auf eine Rolle, Selbstreflexion anhand eines Ideals, Entwicklung von Spielideen und Spielabläufen, Absprache wer mitspielen darf und wer nicht)

Primäre Angst:

die Gebote nicht gut genug befolgt zu haben, Strafe von der Autorität – jenseitige Strafe Gottes, Ausschluss aus der Wertegemeinschaft, sich Schuld aufladen vor dem Ideal, Inquisition

Beschreibung:

Die Menschen im blauen Mem erkennen, dass das barbarische Recht der Stärkeren auf der vorhergehenden roten Stufe überwunden werden muss. Als zentrale Werte werden der schamlosen Ausbeutung des roten Mems Schuld, Ordnung, Gewissen und Tugend entgegengesetzt. Das Gottesbild wandelt sich von einem zürnenden Kriegsgott zu einem monotheistischen Gott der Nächstenliebe. Um diesen herum bilden sich Gemeinden und Nationen. Nun hat man ein gemeinsames Ideal-Ziel, auf welches sich große Teile der Bevölkerung einigen können – ein Gesetz, welches jedem einleuchtet. Das bedeutet auch, dass es zur Ausprägung einer pragmatischen Intelligenz kommt und zur Fähigkeit anhand eines Ideals sein Verhalten zu reflektieren. Es werden Regeln entworfen, die streng befolgt werden. Es geht um dazugehören oder ausgeschlossen werden. Das Zusammenhalten und die Disziplin sind von elementarer Wichtigkeit und niemand darf sich anmaßen eine Sonderstellung zu besitzen. Die blaue Stufe ist eine Wir-Stufe und bringt einen großen Zuwachs an Sicherheit und Stabilität für alle. Es entwickeln sich Tugenden wie Treue, Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Höflichkeit. Das blaue Mem ist in seinem Kern ethnozentrisch, das heisst es strebt den Zusammenhalt einer Gruppe durch Definition von richtig und falsch in Abgrenzung zu einem Antagonisten (das Fremde, Andersartige) an. Das blaue Mem versucht sich dem narzisstischen selbstgerechten des vorangeganenen roten Mems zu entledigen und passt sich daher Idealen der Gruppe an. Die eigene Gruppe wird bestärkt, teilweise auch irrational in die Höhe gehieft, während das Fremde jeglichen Schatten tragen muss, auch den Eigenen. Die Art und Weise der narzisstischen roten Gewalt ist lediglich ins subtile ideelle verlagert, d.h. sie gibt sich anständig und angepasst, autoritätshörig und sozial, hat aber stets eine Grenze, an der das Mitgefühl endet. In seinen positiven Ausprägungen brauchen wir jedoch auch ein solches ideelles Grundgerüst um zu gemeinsamen Werten und Ansichten zu gelangen und eine tragfähige soziale Kultur zu entwickeln.

Das blaue Mem aus psychologischer Sicht

Die Rollenspiele im Kindesalter dienen dem sich erfahren und der sozialen Struktur. Kinder, welche sich nicht an die Regeln halten und hitzköpfig anderen vor den Kopf stoßen werden beim nächsten mal ausgeschlossen. Auch die Schule ist mit ihren Regeln und Verpflichtungen zunächst ein blau geprägter Ort, an dem wir uns Regeln unterwerfen, die wir von Autoritäten vorgegeben bekommen und als sinnhaft erfahren, weil sie für alle gleichermaßen gelten. Generell kann man die Ausprägung des Über-Ich in die blaue Phase einordnen. Ideale werden erfasst und angestrebt. Man wird sich außerdem seiner Schuld vor dem Ideal bewusst (im christlichen Context die Erbsünde), welches psychologisch ein wichtiges Thema ist rund um Minderwertigkeit, Selbstwert und Authentizität.

Heutige Ausprägungen des blauen Mems

Das blaue Mem ist das Fundament der heutigen Nationen und somit in allen Gesellschaftsteilen präsent. Nicht umsonst spricht man in Europa vom christlichen Abendland. Laut Don Beck haben 40% der heutigen Bevölkering ihren Schwerpunkt im blauen Mem und halten insgesamt 30% der Macht. Jedoch sind die modernen westlichen Nationen bei weitem nicht mehr so idealisitisch (im nationalen wie kirchlichen Sinn) in ihrer Ausprägung. Blaue klassische Nationen werden durch ideelle Gebote und Gesetze gestaltet, während heutige Staaten eher wirtschaftlich pragmatisch reagieren. Seine Blüte hatte das blaue Mem ca. im 15ten bis 17ten Jahrhundert. Mit der Begründung der absolutistischen Monarchie wurden allmählich die ursprünglichen Werte ad absurdum geführt – Könige, welche sich als von Gott erwählt bezeichnet, zugleich jedoch die christlichen Werte wie Gewissenhaftigkeit, Nächstenliebe und Bescheidenheit mit Füßen traten.

Der deutsche Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg war klassisch blau orientiert (nach dem der Krieg eine Regression zum roten Mem darstellte) – tugendhafte Aufopferung, Disziplin, Qualitätsbewusstsein, Schuldbewusstsein, Ordnungsliebe und Gesetzestreue. Auch Kleingartenanlagen sind typisch blaue Organisationen, welche ein Wir-Gefühl anhand von strengen Regeln strukturieren. Ebenso sind „geläuterte“ Ex-Gefangene, welche ihre Gewalttaten bereuen und sich als aufopferungsvolle Mitmenschen wieder eingliedern vom blauen Mem getragen.

In den breiten der Gesellschaft findet man noch viel blaue Einflüsse. Das ist nicht zuletzt durch den jüngsten rechtsruck in Europa und den Brexit deutlich geworden. Das blaue Bewusstsein möchte sich in einer streng definierten Gruppe wiederfinden (oftmals nationalistisch, rassistisch, aber nicht nur) und pflegt den lokalen Austausch mit Nachbarn, am Stammtisch oder bei den Hobbies. Das Weltbild ist auf die Gruppe zugeschnitten und es gibt einen klaren Aggressor, gegen den man sich abgrenzt (das Fremde wird gefürchtet und bekämpft). In seinen positiven Ausprägungen brauchen wir jedoch auch die blauen Elemente um unsere Souveränität und Handlungsfähigkeit zu bewahren und unsere Grundgesetze zu garantieren, welche mit den beiden nachfolgenden Stufen orange und grün aus dem Fokus geraten (orange setzt ökonomische Erwägungen über die Menschenwürde, grün ist zu pluralistisch um Werte bindend zu vertreten).

Das blaue Mem muss nicht immer offen zutage treten, sondern kann sich auch ganz subtil zeigen in der Abgrenzung der eigenen Gruppe gegenüber anderen mit einem idealistischen, mythisch-überhöhenden Unterton. Es zeigt sich auch in starren Mustern, Etiketten und Rollenzuordnungen, die nicht wirklich in der Lage ist den anderen in seiner Vielschichtigkeit zu erkennen. In der typisch blauen Realitätsbewältigung findet die Vielschichtigkeit und Ambivalenz einer Person wenig Raum, sondern es sind immer die Rollen im Blick, die einer scheinbar höheren Ordnung entsprechen.

Auslöser für Weiterentwicklung

Erschütterung des Glaubens auf vielen Ebenen: Dogmen blockieren die Neugierde und Wissenschaften, Institutionen (allen voran die Kirche) sträuben sich rational zu denken, die Wohlhabenden missachten die göttlichen Gebote (der Fromme wird mehr und mehr zum ausgenutzten, Nietzsche propagierte gar eine „Sklavenmoral“), Zweifel an der göttlichen Gerechtigkeit (Schicksalsschläge treffen eher die frommen Armen als die sündhaften Reichen), das entbehrungsreiche Leben erscheint zu trist, die Sitten und Gefühle verrohen anhand von dogmatischem Eifer (Inquisition)

Gottesbild:

der einzige Gott, Allmächtiger, Schöpfer, Richter, monotheistisch

Perspektive:

Zweite Person (ist fähig sich im anderen zu erfassen)


DIE SPIRALE DER ENTWICKLUNG NACH DON BECK
Stufe/
Welle
Farbcode
verdichtete Bezeichnung
Denkweise
Kulturelle Auswirkungen und persönliche Sichtweisen
4
Blau
eindeutige Wahrheit
Autoritär
Sinn, Disziplin, Tradition, Moral, Regeln, Leben für das Jenseits

Stufe nach Clare Graves: D-Q

Lernsystem: vermeidendes Lernen

Denken: Absolutistisch

Motivationssystem: Sicherheit

spezifische Motivation: Ordnung, Sinn

Tragwerte: Aufopferung

Zielwerte: Erlösung

Natur der Existenz: Heilig

Problematik der Existenz: Erreichen von ewig währendem Frieden des Geistes


Zuordnungen

Generelle Entsprechungen: Konop – Regel/Rolle

Hauptselbstlinie: frontal (oder Ich)

mythologischen Stufen bei Neumann: Trennung der Welteltern, Drachenkampf, Geburt des Helden, Töten der Mutter

psychologische Stufe bei Neumann: bewußt/unbewußt, Überwindung der Instinkte, Erscheinen des Ich, Differenzierung der Anima

Scheler (strukturelle Hardware): praktische Intelligenz

Rudolf Steiner: Empfindungsseele

Symbolische Verdichtung (Matthias Thiele – Tarot):


Filme zur Veranschaulichung:

In seiner positiven Ausprägung, vor allem um das Recht des Stärkeren (rot) zu begrenzen, entwickelt blau strenge Gesetze und Gebote – heutige Ausprägung: das Grundgesetz

 

Literatur zur Veranschaulichung:

Gesetzestexte (Verfassungen, Das Grundgesetz)

Texte über Gebote mit einer Definition von richtig und falsch (Die Bibel)

ethnozentrische Literatur

 

Alle Wellen: Beige | Purpur | Rot | Blau | Orange | Grün | Gelb | Türkis und folgende