strategisch, vielfältig, effizient, wissenschaftlich, imagebetont
Zeitgeschichtliche Einordnung
seit ca. 1700 n. Chr (Grafik rechts)
Individuelle Einordnung
Ab ca. 4 Jahren – „Wieso, Weshalb, Warum“, die Dinge werden hinterfragt, das Allgemeinwissen wird ausgeprägt, das logische Denken wird gefördert
Von 6 bis 12 Jahren – intensivierung des logischen Denkens
Primär: Pubertät und Adoleszenz – Anwendung rationaler Kriterien, ausleben der Individualität gegen die Gebote der Gesellschaft, Suche nach Freiheit
Primäre Angst
irrationalen Zwängen zu erliegen, sich selbst nicht zu verwirklichen, rückschrittlich sein, von anderen aufgrund von rein pragmatischen Erwägungen ausgebeutet zu werden, zu den Verlierern zu zählen, keine Position zu erreichen welche die eigenen Bedürfnisse zufrieden stellen kann, Kontrollverlust vor dem eigenen Schicksal
Beschreibung
Menschen mit dem Schwerpunkt auf dem orangenen Mem denken sich „Jeder ist seines Glückes Schmied“ und versuchen sich ehrgeizig die Dynamik der Welt zunutze zu machen. Sie haben gesehen, dass die große Tugendhaftigkeit von blau oftmals nicht belohnt wird und das warten auf eine jenseitige Belohnung durch Gott leuchtet ihnen nicht mehr ein. Vor allem dann nicht, wenn sie zusehen müssen, wie die frommen Menschen von egoistischen Interessen anderer ausgebeutet werden. „Gott ist tot“ schrieb Nietzsche in Zarathustra und wähnte den frommen Gläubigen gar einer „Sklavenmoral“ erlegen. Mit dem Beginn des rationalen Denkens als dominantes Gestaltungselement des eigenen Lebens bricht der blau geprägte Glaube für die Betroffnenen zusammen. Mit ihm bricht jedoch auch der Glaube an einen gemeinsamen Richter zusammen und das Jenseits verliert seine richtungsweisende Kraft. Es wird der Welt einmal mehr die Maske abgerissen und es erscheint nur noch der im Recht, der sich im Diesseits durchsetzt und sich die Dynamiken der Welt zunutze macht. Daher ist das orangene Denken auch mehr als jedes andere materialistisch und von einer Abneigung gegen religiöse oder spirituelle Themen geprägt. Es ist die Geburtsstunde des Liberalismus. Es empfindet spirituelles Denken als rückschrittig und romantisierung der Realität, ja sogar als Herrschaftsdenken und paranoiasenkende Maßnahme der Reichen, um die Massen ruhig zu stellen. Überhaupt wird aus dem orangenen Mem heraus alles funktionalistisch gedacht. Das göttliche hat keinen intrinsischen Wert mehr, sondern wird nur noch aus seiner Funktion heraus betrachtet. Es gilt lediglich, was beweisbar ist. Und der Gewinner ist im Recht. Selbstverständlich identifiziert man sich mit den Gewinnern und möchte sich ihnen anschließen.
Historisch betrachtet ist der Übergang vom blauen Mem ins orangene der Aufbruch der empirischen Wissenschaften, die in ihren Anfängen bereits 1500 n. Chr. aufkeimten. Die kirchlichen Instanzen hatten damals einen dogmatischen Anspruch auf die Wahrheit, welcher das rationale Denken unterdrückte. Sei es Galilei, der das kopernikanische Weltbild durchzusetzen versuchte (und die geläufige Vorstellung, die Welt sei eine Scheibe zurecht rücken wollte) oder sei es Da Vinci, der heimlich Leichen sezierte aus interesse an seinen anatomischen Studien. Das erfassen der Proportionen durch Da Vinci in seinen Körperstudien ist typisch für das orangene Denken, welches versucht die Wirklichkeit anhand rationaler Kriterien möglichst gut abzubilden. Das orangene Mem muss sich zwangsläufig gegen dogmatische Gebote behaupten. Die orangene Bewegung schlechthin ist die Aufklärung mit dem Leitspruch von Immanuel Kant „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Besser kann man das orangene Mem in seinen fruchtbaren Aspekten nicht auf den Punkt bringen.
Gesellschaftlich gesehen führte das orangene Mem zum grenzüberschreitenden Kapitalismus und löste nach und nach festgefahrene Rollenvorstellungen auf. So wurde das Ständesystem aufgelockert und abgeschafft. Ein Mensch war nicht mehr per Geburt an ein Schicksal gebunden, sondern konnte sein Leben viel freier gestalten. Das Aufkeimen der Individualität ist ein orangener Verdienst.
Das orangene Mem aus psychologischer Sicht
Ab etwa dem vierten Jahr zeigen wir ein vertieftes Interesse an den Zusammenhängen unserer Umwelt und fragen immer mehr „Wieso, Weshalb, Warum“. Unser Allgemeinwissen dehnt sich aus und unsere Fähigkeit zu logischem Denken wird intensiviert. Beim sortieren und konstruieren beachten wir Längen- und Größenverhältnisse. Im Alter von 6 bis 7 Jahren wird das kindliche Denken immer logischer, auch wenn es noch stark auf das Hier und Jetzt bezogen ist. Mit etwa zwölf Jahren unterscheidet sich die Fähigkeit zu denken schließlich kaum noch von der von Erwachsenen. Auch das brechen von Geboten der Erwachsenen und der Gesellschaft um seine eigene Individualität zu erfahren ist typisch Orange. Die Entwertung von magischen und spirituellem Denken, das meistens in der Schulzeit seine Blüte findet ist ebenfalls vorwiegend orange einzuordnen. Das orangene Mem ist ebenso wie das rote Mem ein Ich-orientiertes Mem. Es ist demnach immer ein wenig egozentrisch und eigensinnig in seiner Ausprägung und möchte den Zwängen der Gemeinschaft entkommen.Dominant wird das orangene Mem in der Pubertät und der rationalen Suche nach Freiheit. Das was man als ideal anerkennt wird zum Selbstbild und somit entsteht neben einem neuen Selbstbewusstsein auch eine narzisstische Dynamik, bei dem man sich am rational „besten“ spiegelt ohne Verständnis für andere. Menschen mit Schwerpunkt auf orange haben einen rational-idealistische Ausrichtung, welche blind macht für die Conditio Humana. Man möchte im orangenen Bewusstsein stets etwas verbessern und ist selten zufrieden. Man richtet sich nach Idealen, zunächst mit besten Absichten – man möchte selbstbewusst und frei sein. Doch man merkt erst spät, wie sehr man sich dadurch anpasst und die intentionierte Freiheit letztlich beschränkt. Durch die Ausrichtung auf Ideale ist man fähig sein Image auszubauen und ist stets bestrebt das Beste zu verkörpern. Zwischenmenschliche Beziehungen sind vorwiegend durch das gemeinsame Streben nach einem Ideal geprägt und bleiben letztlich ohne tiefere Berührung, weil das Abweichen vom Ideal noch mit zu viel Angst besetzt ist.
Heutige Ausprägungen des orangen Mems
Das orangene Mem ist die dominante Kraft in der kapitalistischen Welt. Nachdem das blaue Mem zur Ausbildung von Nationalstaaten und Volksidentitäten führte denkt das orangene Mem über diese Grenzen hinaus und vereint (und unterwirft) alles dem rationalen Denken. Es kommt zu korporativen Staaten, welche ökonomische Vorteile und Einfluss gewinnen. Rohstoffe und Märkte werden erschlossen. Die europäische Union konnte unter dem orangenen Prinzip ihre Kräfte bündeln. Das kapitalistische Prinzip ist mittlerweile fast auf der ganzen Welt zu finden. Das orangene Denken macht laut Don Beck 30% der Bevölkerung aus und besitzt 50% der Macht. Es deutet sich jedoch auch bereits seine Krise mehr als deutlich an. Laut Ken Wilber kommt es immer mehr zum „mean orange Mem“ (zu deutsch: das bösartige orangene Mem). Hier wird das ursprünglich positive rationale Prinzip zu einem pathologischen Raubtierkapitalismus. Die Finanzcrashs der letzten Jahre ziehen immer weitere Bahnen, die Bankenkrise ist nur der jüngste Ausbruch dieser Krise. Auch die Währung ist als solche nicht mehr geeignet, weil sie mit ihren Zinsessystemen die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufklaffen lässt. Selbst Konzerne verklagen Staaten auf Schadensersatz um mehrere Milliarden Euro (mehr dazu unten), vor selbsternannten Schiedsgerichten hinter dem Rücken des Volkes. Zahlen muss das Volk. Die Ausbeutung der Rohstoffe und Ressourcen des Planeten bringt unser Ökosystem an seine Grenzen. So nützlich das orangene Prinzip in seinen Anfängen war, so bedrohlich ist es in seiner überwuchernden Ausprägung. Auch die totale Reduktion auf das materielle mit seiner Konsumsucht und die Entwertung des spirituellen führt am Ende der orangenen Entwicklung zu einer Sinnleere. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind auf Ideale ausgerichtet, streben nach Image und Erfolg und sind nicht fähig sich in menschlichen Höhen und Tiefen zu begegnen. Drogenmissbrauch als materieller Konsum zum scheinbaren Erreichen höherer geistiger Zuständige nimmt zu. Der zunächst als sinnvoll erfahrene Aufbruch zur eigenen Individualität wird gegen Ende des orangenen Mems als schmerzhafte Fessel erlebt. Es wird bewusst, dass das rationale Denken letztlich nicht das Herz des Menschen berührt, sondern seinen Zweck vorwiegend in der Bewältigung und erforschung der äußeren Natur findet.
Auslöser für Weiterentwicklung
Sinnleere trotz materiellem Erfolg, kapitalistische Systemkrise, wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, ökologische Krise des Planeten, entfremdete Beziehungen ohne Tiefe, Sehnsucht nach etwas größerem – transegoischem, Sehnsucht nach Herzenswärme
Gottesbild
Gott ist tot, Ich bin mein eigener Gott
Perspektive
Dritte Person (wissenschaftliches Erfassen der Welt, sehen der Welt aus der funktionalen „Es“ Perspektive)
DIE SPIRALE DER ENTWICKLUNG NACH DON BECK | ||||
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Stufe/
Welle |
Farbcode
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verdichtete Bezeichnung
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Denkweise
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Kulturelle Auswirkungen und persönliche Sichtweisen
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5
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Orange
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ehrgeiziges Streben
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Strategisch
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Materialistisch, Konsumorientiert, Erfolg, Image, Status, Wachstum |
Stufe nach Clare Graves: E-R
Lernsystem: Erwartung
Denken: Rational
Motivationssystem: Unabhängigkeit
spezifische Motivation: Zweckdienlichkeit, Handlungskompetenz
Tragwerte: Scientismus
Zielwerte: Materialismus
Natur der Existenz: Materialistisch
Problematik der Existenz: Eroberung des physikalischen Universums
Zuordnungen
Generelle Entsprechungen: Formop – Formal
Hauptselbstlinie: frontal (oder Ich)
mythologischen Stufen bei Neumann: Töten des Vaters, Gefangener und Schatz
psychologische Stufe bei Neumann: Differenzierung des Animus, reifes Ich
Scheler (strukturelle Hardware): praktische Intelligenz
Rudolf Steiner: Verstandesseele
Symbolische Verdichtung (Matthias Thiele – Tarot):
Filme zur Veranschaulichung
Breaking Bad veranschaulicht den Aufbruch eines Mannes aus seiner Rolle (blaues vMem), welche ihn bisher an ein festgefügtes Wertesystem bindet und von Aufopferung geprägt ist. Als der Protagonist eine Krebsdiagnose bekommt bricht dieses Wertegerüst zusammen, denn die jenseitige Belohnung scheint sich in Luft aufzulösen. Warum hat ausgerechnet Walter White Krebs bekommen, wo er doch ein vorbildliches Mitglied der Gemeinschaft war und sich wie nur wenige für andere aufopferte. Der Fokus wandelt sich vom Wir (blau) zum Ich (orange). Die tiefere Motivation in diese Tabuzonen vorzudringen ist materiell-wirtschaftlich begründet und ist nur durch die wissenschaftliche Fachkenntnis von Walter White möglich (Scientismus). Der Aufbruch bläst sich zu einem gigantischen Egotrip auf, bei dem es stets darum geht die Oberhand zu behalten, möglichst viel Geld zu machen und nicht zu verlieren. Man kann dabei sehr gut mit dem Protagonisten mitfühlen, pendelt er doch immer zwischen einem Gefühl von Freiheit, finanzieller Notwendigkeit, Selbstverwirklichung, Macht, Sehnsucht und Größenwahn. Um dieser Situation gerecht zu werden baut er sich ein Image auf : Heisenberg. Diese Maske als Mittel zum Erfolg ist typisch orange. Dabei agiert er aber nicht direkt und offen, wie beim roten Ich-Mem, sondern strategisch und berechnend. Auch der somatische Aspekt der Serie (Drogen als stimulierendes Mittel) verdeutlicht die orangene Gottlosigkeit und insinuiert eine verleugnung transzendenter höherer Geistigkeit. Letztlich wird aus dem Aufbruch und der Selbstverwirklichung ein Abbruchunternehmen, welches alle Menschlichkeit vermissen lässt, zu einem Gefängnis für alle Beteiligten wird und Ausdruck einer sinnleere ist. Eben diese Situation ist der Anfang der Besinnung auf Mitmenschlichkeit, welche den Anfang für das grüne Mem bildet.
Auch im realen Leben finden wir diese extremen Formen des ungesunden orangenen Mems, allen voran im Raubtierkapitalismus.
Literatur zur Veranschaulichung:
Nietzsche: Also Sprach Zarathustra (Nietzsche, der selbst aus einem gläubigen Elternhaus kommt, ist Zeit seines Lebens in einer tiefen philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema Glaube vertieft. Er sieht darin schließlich eine „Sklavenmoral“ und verarbeitet seinen Tod Gottes u.a. in seinem Werk „Also Sprach Zarathustra“)
Alle Wellen: Beige | Purpur | Rot | Blau | Orange | Grün | Gelb | Türkis und folgende
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