animistisch, tribalistisch, magisch-animistisch
Zeitgeschichtliche Einordnung:
seit ca. 50.000 v. Chr (Grafik rechts)
Individuelle Einordnung:
Ab ca. 1 Jahr (Erkundung der Welt, erstes Gehen, Wiedererkennen von Personen und in Beziehung treten, sich im Blick des Gegenüber erfahren)
Primäre Angst:
Aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, seinen Platz nicht zu finden, den guten Geistern zu missfallen – den bösen Geistern ausgeliefert zu sein, Heimatlosigkeit, Beziehungslosigkeit, existenzielle Unsicherheit
Beschreibung:
Die Menschen auf dieser Entwicklungsstufe haben die Vorteile des Zusammenlebens erkannt, nicht nur aus materieller Hinsicht, sondern vor allem für das soziale Gemeinwohl. Aus materieller Sicht werden Dörfer aufgebaut, Felder bewirtschaftet, die Jagd kultiviert. Erste Züge von Sesshaftigkeit sind zu erkennen und werden intensiviert. Vor allem das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe ist wichtig. Der Einzelne ist als solcher noch nicht abgegrenzt und erfährt seine Rolle in der Gemeinschaft als Schicksalhaft. Durch den Zuspruch seiner Stammesgenossen erlebt er Seelenfrieden und Identität. Ein Ausbrechen aus einer zugeschriebenen Rolle ist nicht denkbar (unterentwickeltes Ego). Das größte Unheil für jemanden mit Schwerpunkt Purpur ist demnach der Ausschluss aus dem Stamm, was sein komplettes Existenzrecht bedrohen würde. Die purpurne Kultur lebt vor allem durch Rituale (beschwören guter Geister, Regentanz usw.). Die Umwelt wird differenzierter wahrgenommen, so werden die Naturkräfte, Krankheiten, psychische Dispositionen und Launen versucht anhand von Geistern zu erklären. Dadurch wird alles als belebt aber auch als unberechenbar erfahren (magisch-animistisches Denken)
Das purpurne Mem aus psychologischer Sicht
Individuell gesehen durchläuft jedes Kind diese Phase des magischen Denkens. Kinder lernen anhand ihrer Rolle und der Spiegelung ihrer Umwelt sich selbst „kennen“. Für Kinder sind Kuscheltiere lebendig. Anhand der Bezugspersonen erfährt sich das Kind selbst, ist dieser Spiegelung jedoch auch schicksalhaft ausgeliefert, weil es sich gar keinen Liebesentzug der Eltern leisten kann. In Trotzphasen ist schon das aufkeimen des Egos zu beobachten, d.h. die Andeutung der nächsten Stufe der Entwicklung. Da dies jedoch mit der Gefahr verbunden ist die Liebe der Bezugspersonen zu verspielen bleibt lange Zeit das magisch-purpurne Denken dominant.
Heutige Ausprägungen des purpurnen Mems
Es gibt noch immer zahlreiche indigene Stämme und Naturvölker, welche sich primär in dieser Weltsicht bewegen, vor allem in Südamerika und Afrika. Beispielsweise leben die Pirahã Indianer ein Leben in Einklang mit der Natur und in enger Stammesbindung. Ihre fehlende egozentrische Ausprägung (nachfolgendes rotes Mem) wird unter anderem daran deutlich, dass sie sich für jegliche Beschreibungen der Lage am Fluss orientieren. Sie sagen beispielsweise nicht „Achtung, ein Jaguar kommt links von dir“, sondern „Achtung ein Jaguar kommt von rechts des Flusses“. Bezeichnend ist auch eine Szene, in der David Everett beschreibt, dass ein schreiendes Kind stundenlang mit stoischer Ruhe missachtet wird, womit die egozentrischen Triebe des Kindes auf keinerlei Spiegelung stoßen. Andererseits gelten sie nach einer Theorie von David Everett als eines der glücklichsten Völker des Planeten (was er hauptsächlich linguistisch begründet) – das könnte eine positive Folge des fehlenden Egoismus sein. Ihr kognitiv geringes Stadium wurde deutlich, als man ihnen Mathematik beibringen wollte. Selbst nach größten Anstrengungen vergaßen sie jede Lehre über Nacht. Auch ihren Tauschhandel wollten sie nicht optimieren, wenngleich die Erträge sich deutlich hätten verbessern können. Das in der westlichen Kultur geläufigste anschauliche Beispiel ist die Kultur der amerikanischen Indianer, welche sich tief mit Mutter Natur, den Geistern, ihrem Stamm und den Ahnen verbunden fühlten (und natürlich noch immer fühlen). Der Wert einiger Anschauungen ist heute wieder hochaktuell (ökologisches Bewusstsein, transegoisches Selbstbewusstsein), darf aber nicht mit dem purpurnen Bewusstsein verwechselt werden. Ken Wilber hat für diese Problematik den Begriff der „Prä-Trans Verwechslung“ eingeführt.
Prä-Trans Verwechslung
Ken Wilber: Seit ich angefangen habe, über den Unterschied von prärationalen oder präpersonalen und transratrionalen oder transpersonalen Bewußtseinszuständen beziehungsweise ihre Verwechselung – ich spreche hier von „Prä/trans-Verwechselung“ – nachzudenken, wächst eine Überzeugung, daß es ganz entscheidend ist, hier Klarheit zu gewinnen, wenn wir die Natur höherer (tieferer) oder wahrhaft spiritueller Bewusstseinszustände verstehen wollen.
Die Problematik liegt eigentlich auf der Hand: Sowohl die schwach entwickelten Bewusstseinszustände wie das purpurne v/Mem als auch die hochentwickelten Bewusstseinszustände wie das türkise v/Mem sind zum Teil außerhalb der Rationalität. Ein undifferenzierter Beobachter deutet nun
- die höheren Zustände als Regression, was mystische Erfahrungen usw. als infantil abwertet. So zum Beispiel bei Freud geschehen in seinem Absatz über sein Unbehagen gegenüber ozeanisch-religiösen Zuständen. Das nicht-rationale wird generell entwertet und somit die Rationalität als Endpunkt der menschlichen Entwicklung gesehen.
- die niederen Zustände werden als hohe Entwicklung missgedeutet, was wiederum ein Misstrauen gegenüber der Rationalität mit sich bringt. (oft geschehen bei Jung)
Freud war ein Reduktionist, Jung ein Elevationist – die beiden Seiten der Prä/Trans-Verwechslung
So müssen wir hier aufmerksam unterschieden, dass wir die Allverbundenheit, welche auf transrationalen Stufen wieder erkennbar wird, nicht mit der magischen Sichtweise vertauschen, welche meist durch narzisstische Züge geprägt ist und sich der Rationalität verschließt.
Auslöser für Weiterentwicklung
Erwachendes Ego, hinterfragen der Rolle in der eigenen Sippe, Ehrgeiz, erkennen der Ungerechtigkeit, Erkennen vom Aberglauben vieler Rituale (Regentanz ohne Regen), Tabubruch
Gottesbild:
Geister, Totenreich der Ahnen, Stammesgötter (z.B. „Gott Abrahams“), Voodoo, Astrologie (mehr dazu hier), Tarot
Perspektive:
Erste Person
DIE SPIRALE DER ENTWICKLUNG NACH DON BECK | ||||
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Stufe/
Welle |
Farbcode
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verdichtete Bezeichnung
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Denkweise
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Kulturelle Auswirkungen und persönliche Sichtweisen
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2
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Purpur
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Stammesgeister
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Animistisch
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Riten, Rituale, Tabus, Aberglaube, Stämme, Schicksal |
Stufe nach Clare Graves: B-O
Lernsystem: klassische Konditionierung
Denken: Autistisch
Motivationssystem: Zuspruch, Versicherung
spezifische Motivation: aperiodische physiologische Bedürfnisse
Tragwerte: Traditionalismus
Zielwerte: Sicherheit
Natur der Existenz: Tribalistisch
Problematik der Existenz: Erreichen von relativer Sicherheit
Zuordnungen
Generelle Entsprechungen: phantasmisch-emotional -Exozept, Impuls/Emotion, Bild, Symbol
mythologischen Stufen bei Neumann: die Große Mutter
psychologische Stufe bei Neumann: Wunscherfüllung, magisch, Inzest mit der Mutter, Körperselbst, Narzißmus, Ödipus/Elektra
Scheler (strukturelle Hardware): instinktuelle Wirkungen
Rudolf Steiner: Ätherleib, Astralleib (Emotion)
Symbolische Verdichtung (Matthias Thiele – Tarot):
Filme zur Veranschaulichung:
Die Dokumentation Pachakutec zeigt die magisch-animistische Weltsicht von ihrer schönen Seite.
Der Voodoo Kult ist eine typisch purpurne Weltsicht. Hinter den Ritualen und Geistern verstecken sich oft egozentrische Absichten.
Die Piraha-Indianer leben ohne Zahlen und ohne Zeit im Hier und Jetzt. Einerseits gelten sie als sehr glücklich, andererseits verwehren sie sich dem Fortschritt. Wenngleich man auch von ihnen lernen kann und es viele Schnittpunkte gibt mit aktuellen Lehren vom Leben in der Gegenwart basiert die Faszination von ihrem „Glück“ oftmals auf einer Prä-Trans Verwechslung
Literatur zur Veranschaulichung:
Das glücklichste Volk: Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas
Alle Wellen: Beige | Purpur | Rot | Blau | Orange | Grün | Gelb | Türkis und folgende
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