Die letzten Atemzüge der Geschichte des heroischen Individuums ?

Erleben wir gerade in der Tragik um Trump die letzten Atemzüge der Geschichte des heroischen Individuums? Ist dieser narrative Kollaps möglicherweise der Beginn einer Transformation von dem individuellen hin zum kollektiven Erlösermythos?
Reicher & Stark haben einen lebhaften Zugang zur Ebene des mythischen – das Mythische ist nicht nur ein weiterer Narrativ, eine Metapher. Es ist für sie eine archetypische Welt, welche wir mit der Brücke der mythischen Erzählung betreten und welche uns energetisch speist, wie sie in einem Videopodcast darlegen [1]. Mit sprachlichen Bildern und Erzählungen beleben wir uns, verbinden wir uns sozusagen mit den archetypischen Kraftlinien. So wundert es nicht, dass Trump , der besonders viel mit Bildern und Metaphern arbeitet, auch sehr vital und energisch ist. Daher ist Skepsis geboten, wenn man beispielsweise Trump nur anhand von sprachlicher Komplexität analysiert, wie dieser Atlantic Artikel [2], der anhand sprachlicher Analyse zu dem Schluss kommt, dass Trumps Antrittsrede dem Niveau eines Grundschülers entspricht, Obamas dem eines Sekundarschülers und Washington dem eines Studenten.
Analyse der sprahclichen Komplexität von US-Präsidentschaftsansprachen [2]
Nicht nur ist hier die Frage, warum die Komplexität hier scheinbar abnimmt (und damit der These der evolutionär positiven Bewusstseinsentwicklung widerspricht), sondern es stellt sich vor allem die Frage : Erzeugt das mythische nicht Qualitäten, welche in dieser sprachlichen Komplexitätsanalyse gar nicht transportiert werden können?
In Gebsers Schriften, v.a. Ursprung & Gegenwart, geht der qualitative Aspekt unterschiedlicher Bewusstseinsebenen deutlicher hervor. Es gibt auch interessante Artikel, welche die Bewusstseinsräume (mythisch, magisch, mental, integral) mit Frequenzbereichen der Hirnaktivität eines EEG abgeglichen haben [3] und auch hier wird deutlich, dass ein Integraler zum einen eine neue Frequenz der Hirnaktivität erreicht, zum anderen aber auch als Wanderer zwischen den Welten zu verstehen ist mit nahezu schamanischen Qualitäten. Er kann sich in verschiedene Schwingungen versetzen um die verschiedenen Qualitäten leibhaftig zu schmecken. In der integralen Szene wird das leider allzugern verflacht und auf eine mental-quantitative Art und Weise behandelt, so werden Mythen beispielsweise einfach als sinnstiftende Erzählstrukturen eines unzureichenden Wissenstandes betrachtet um den Unwägbarkeiten des täglichen Lebens einen narrativen Rahmen zu geben. Wer glaubt, dass die Erzählung von Zeus nur dazu diente den Blitz zu erklären, der sollte besser nicht über Mythen sprechen. Zu schnell wird heutzutage alles auf einer mentalen „Schwingung“ betrachtet und dadurch in seiner eigentlichen Bedeutung nicht hinreichend wahrgenommen, denn Mythos ist nicht gleichzusetzen mit dem Narrativ (siehe Matthias Thieles Artikel zu Mythos und Narrativ).
Gerade im integralen Rahmen ist es m.M.n. wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass nicht alles quantisierbar ist und bei der übersetzung in rationale Formeln ein bedeutender Teil verlorengehen kann. Aus diesem Gewahrsein und Schmeckens der vielfältigen Qualitäten des eigenen Bewusstseins, sowie auch des Bewusstseins aller Menschen erwächst eine Wertschäzung der Schöpfung gegenüber ohne die wir die kommenden Aufgaben kollektiv nicht bewältigen können. Ohne mythische Eingebundenheit verliert der Mensch die seelische Wärme und Kraft, die ihn befähigt über sich hinaus zu wachsen.
Hier stellt sich eine wichtige Frage : Haben die Erzählungen von Klimawandel, vom Big Bang oder vom Kampf gegen das Virus mythische Qualitäten? Ich denke nein, denn die vorwiegende energetische Schwingung ist die der Angst, der Verlorenheit und einer gewissen Panik – es ist also gerade das fehlen der mythischen Rückkopplung, welche diese Erzählungen auszeichnet. Die Apokalypse wiederum ist eine mythische Erzählform, die gekoppelt mit dem Erlösermythos auftritt und die Seelen der Menschen zu elektrisieren vermag. Sie könnte zum bestimmenden Momentum der aktuellen Periode werden und sie hat das Potenzial, einen kollektivmythische Erfahrung zu initiieren, die uns als planetare Menschheit zusammenbringt.
Beitragsbild von https://fontainesdc.bandcamp.com/album/a-heros-death
[1]
https://www.youtube.com/watch?v=Pjndp9g00GY
[2]
https://www.theatlantic.com/politics/archive/2014/10/have-presidential-speeches-gotten-less-sophisticated-over-time/381410/
[3] https://textureoftime.wordpress.com/2015/07/09/structures-of-consciousness-gebser-and-eeg-states/