Folgt auf die 68’er Bewegung nun die 18’er Bewegung ? Gedanken über den vielzitierten Rechtsruck.

Der oft zitierte „Rechtsruck“ wird, wie ich feststellen muss, sehr oft mit Nazis gleichgestellt und als Rechtsextremismus scharf abgelehnt. Auch ich lehne solche rechtsextremen Auswüchse strikt ab. Doch leider muss ich feststellen, dass viele das Phänomen der „neuen Rechten“ damit sogleich abhaken. Nach meiner Beobachtung sind es eben nicht die Nazis, welche hier den Ton angeben. Es ist eine deutlich komplexere Bewegung die zum Teil als Gegenbewegung zu MeanGreen (zu deutsch: bösartiges grünes Mem) artikuliert. MeanGreen meint zum Beispiel eine permissive Politik, die dazu führt, dass Neuwagen ab 1.April immer online sein müssen, dass Trinkwasser privatisiert wird, dass über Obergrenzen bei Flüchtlingen nur hinter vorgehaltenem Mund gesprochen werden darf und vieles mehr.

Psychoanalytisch fand ich die Analyse von Robert Pfaller sehr treffend, der in seinem Buch „Erwachsenensprache“ sehr gut schildert, wie die Linke der 68er mit ihrem rebellischen Element, welche aus dem Über-Ich geflohen sind mehr und mehr zu einer Linken wurde, welche komplett mit dem Über-Ich identifiziert ist. Das Über-Ich ist dabei auf das Ich herabgefallen – da es keine Ideale mehr gibt, keine großen Geschichten und nur die totale Selbstverwirklichung zählt. So ist das Über-Ich aufgrund der Nähe zum Ich nur unscharf wahrnehmbar, es wird mit dem Mantra „Sei du selbst“ omnipräsent. Die neue Linke ist also in ihrem Temperament grundsätzlich verschieden von der „alten Linken“. Deshalb hat die neue Rechte – ich meine damit vor allem gemäßigte AfD Anhänger – heutzutage das rebellische Momentum hinter sich. Es verwundert daher auch nicht, dass beispielsweise viele alt 68er heute gegen Islam, für Heimatliebe und gegen Gender sind [1] oder gar die AfD wählen. [2]

„Schick ist es geworden unter satt, grau und bürgerlich gewordenen linken Vordenkern von einst, ums Vaterland zu bangen. Dabei war den meisten das Vaterland bis dahin herzlich wurscht, galten Heimatgefühle als anrüchig, ja, reaktionär: Man wollte nichts von Heimat wissen, geschweige denn in ihr etwas Schützenswertes erkennen. “ schreibt die Zeit kritisch.

Schon allein anhand diese Beispiels wird klar, wie ungeeignet das Nazi-Mem ist, um diese Bewegung adäquat zu illustrieren. Hier wird anhand von personalisierter Abgrenzung eine inhaltlich strukturelle Auseinandersetzung unterbunden. Ganz so als wäre ohne „Rechtsruck“ alles in bester Ordnung.

Man muss die Ressentiments schon soweit ernst nehmen in der Politik. Ressentiments, also Vorurteile, das sind im Grunde menschliche Ordnungssysteme, eine kulturelles Spiel, anhand dessen Gesellschaft funktioniert. Da gibt es viele die eine nationale Identität schätzen ohne rassistisch zu sein, viele die Heimat schätzen, ohne das Fremde abzuwerten, viele die Geschlechterrollen mögen, ohne Frauen- oder Männerhasser zu sein, viele die gern einfach und religiös Leben, ohne Verlierer zu sein, viele die gern Privat und Analog leben, ohne etwas zu verheimlichen zu haben usw.. Es gibt einfach derzeit so vieles, was gegen alte Gewohnheiten prischt, dass sich da eine Gegenbewegung formieren muss.

Integral betrachtet heisst das nach meiner Analyse, dass hier ein Switch innerhalb von Blau stattfindet bzw. zu Teilen schon gefunden hat : die linken Werte sind hier nun maßgeblich geworden und es haben sich neue In-Out Groups herausgebildet. Es reicht also nicht mehr sich diese linken Werte anzueignen und von Pluralismus zu sprechen, sondern Pluralismus bedeutet heute vor allem auch die eher konservative Seite mitzudenken, sich in unterschiedlichen Medien (auch vom anderen Lager) zu informieren und die Nazi-Keule (welche rotpurpur ist und rein personal agiert) beiseite zu lassen.

[hr]

Literaturtipp: Robert Pfaller – Erwachsenensprache

[1] http://www.zeit.de/2017/42/linke-68er-bewegung-protest-afd
[2] https://nixgut.wordpress.com/…/warum-ein-berzeugter-68er-u…/

Bildnachweis: Von Ric Manning – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7029083